Der Klappentext von Rainer gOtt aus dem lange vergriffenen und inzwischen natürlich irre wertvollen Q-Hof-Solisampler.

Ich bin im November 1990 nach Köln gezogen. Und auch wenn meine Mutter gerne erzählt, daß dieser Umzug der Anfang allen Übels war, bin ich mit der Domstadt in der ich jetzt fast die Hälfte meines bisherigen Lebens verbringe so sehr zufrieden, wie es dieses kleine Dorf am Rhein eben zu erfüllen vermag. Nicht ganz unschuldig daran ist der Kurfürstenhof, das Rhenania und der Q-hof.
Die Geschichte die es zu erzählen gilt, beginnt im Januar1989 als der Kurfürstenhof an der Ecke Kurfürstenstraße (aha!) und Bonner Strasse seine Pforten in der schönen Südstadt öffnete um nicht nur linke Stadtgeschichte zu schreiben. Da ich selbst doch noch eher jung war und die erste Ära im Mai 1991 auch schon ihr Ende fand, beschränkten sich meine Besuche in dieser Gaststätte auf zwei oder drei und die einzige wirkliche Erinnerung, die mir geblieben ist, ist jene von schwarz gekleideten lederjackentragenden Punkerhorden vor der Tür. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr!

Falls noch nicht bekannt, sei hier die kurze Randbemerkung erlaubt, daß der heutige Kurfürstenhof nichts mit dem ehemals dort heimigem Kneipenkollektiv zu tun hat und hier nochmals ausdrücklich zur NoGo Area erklärt wird. Aber die Geschichte geht ja so schnell weiter und - glaubt mir - über Geschmack lässt sich definitiv nicht streiten! Bereits im  Juli 1991 eröffnete der (jetzt in der Abkürzung u.a. neue) Q-hof in direkter Nachbarschaft, im damals noch malerisch schönen Rheinauhafen, das Nachfolgeprojekt welches Maßstäbe, die bis heute Gültigkeit haben, setzen sollte. Das Kneipenkollektiv erschuf mit der aus Stammgästen und Thekenkräften sich konsultierenden Konzertgruppe "Butter bei de Fische" aus dem eigentlich brachliegenden Kunsthaus Rhenania, eine Idylle wie sie Köln seit dem leider nicht mehr erleben durfte und - Hand aufs Herz - auch nicht mehr erleben wird. In den vier Jahren Rhenania war alles möglich und ist tatsächlich auch passiert. Nachdem die Weisshausstraße, der Mauritiuswall und der Bauwagenplatz Raderthal geräumt waren, erfüllte das Rhenania (und wenn ich hier im Folgenden immer von Rhenania spreche, fasse ich, wie es damals ja auch mehr oder weniger so war, das Kneipenkollektiv und die Konzertgruppe zusammen) ungewollt die Funktion eines Autonomen Zentrums. Ein mehr oder weniger selbstverwalteter Ort, gefüllt mit linker Politik und Kultur, mit linker Lebensweise und nicht zu letzt einer Menge Spaß.

Im Übrigen ist es gar nicht so lange her, daß ich mit einer Gruppe damals dort aktiver Leute über das Rhenania sprach. Was wäre wenn? Ich bin mir im auch im Nachhinein noch sicher, daß das Verlassens  des Rhenanias der richtige Schritt zur richtigen Zeit war. Denn das was das Rhenania  darstellte und an Kultur anbot, hat einfach auch sehr, sehr viel mit der Zeit zu tun und konnte tatsächlich auch nur damals funktionieren. Man stelle sich das doch nur vor. Das ist weder in der theoretischen Überlegung möglich, noch hätte es praktisch funktioniert. Doch dem Kulturpessimismus - so gerechtfertigt er auch ist - setzen wir direkt wieder ein Ende und schwelgen ausnahmsweise ganz einfach nur in schönen Erinnerungen.

Zur Zeit des Umzuges, Juni 1991, war das Rhenania eigentlich wenig öffentlich genutzt. Bis dato wurde es von den Künstlern und Musikern benutzt die zuvor mittlerweile, geräumten Stollwerk ihre Ateliers bzw. Proberäume hatten und vom und Kunsthaus Rhenania e.V. , dessen Mitglieder genau die selben Leute waren, verwaltet. Eine sonstige Infrastruktur war nicht vorhanden, sprich: es gab weder eine Kneipe noch fanden irgendwelche öffentlichen Veröffentlichungen statt. Dies änderte sich jetzt schlagartig., da das Kunsthaus am Rhein vitalsten Atem eingetaucht bekommen sollte. In einem der vielen bis dato ungenutzten Räumlichkeiten entstand der neue Q-hof. Das Kneipenkollektiv renovierte die Räumlichkeiten und erstellte in Eigenarbeit auch alle anderen Dinge wie, z.B. die große Theke die für einen funktionierenden Kneipenbetrieb von Nöten sind. Flugs noch ein paar Kneipenspielzeuge wie Tischfußball, Billiardtisch  und Flippermaschine, Sitzgelegenheiten in den Raum und das kulturelle Wohnzimmer der Autonomen und Punker für die nächsten vier Jahre war bereitet. Schon damals - und das zieht sich bis heute durch die Geschichte - war der Q-hof ein der preiswertesten Schank- und Speisewirtschaften unserer schönen Domstadt. Schnell bildete sich sehr agile Szene aus Stammgästen, die fast täglich das Etablissement mit ihrer Anwesenheit beehrten. Ab dem 01.11.1991 wurde der rege Publikumsverkehr durch unkommerzielle, liebevoll organisierte Konzerte aus dem Punk und Hardcorebereich mit angekurbelt. Für die Pedanten unter Euch war das erste mit den damals recht bekannten Lokalmatadoren PINK PILLS. Binnen kürzester Zeit war weder der Q-hof bzw. die im Nordkeller des Rhenania veranstalteten Konzerte aus der Stadt wegzudenken. Im Rhenania spielten eigentlich alle ernstzunehmenden Bands wie z.B.: THAT`S IT, SUICARIA, FLEISCH, MOLOTOV SODA, PERSILBONZEN, KINA, ISRAELVIS, LIFE BUT HOW TO LIVE IT, CITIZEN FISH, FUGAZI, HOUSE OF SUFFERING, COLOGNE CITY ROCKERS, ALLOY, HARALD"SACK" ZIEGLER, YOUTH BRIGADE, MOTORPSYCHO, NATIONS ON FIRE, SLIME, ...BUT ALIVE,  WIZO, SAMAIAM, CHUMBAWAMBA, 2BAD, SO MUCH HATE, NEGU GORRIAK, NO USE FOR A NAME, YUPPICIDE, NAYTIA, THE EX, KURORT, GRAUE ZELLEN, D.O.A., OI POLOI, LUNCHBOX, JAWBREAKER, KICK JONESES, MUFF POTTER und SNUFF. Allen Bands hat es so gut gefallen, daß sie immer wieder gerne gekommen sind. Noch heute gibt es bestehende Freundschaften, die im Rhenania zwischen Bands und VeranstatelrInnen entstanden sind. Doch nicht nur den MusikerInnen gefiel es im Rhenania, auch das Publikum war vom Ambiente und Kulturangebot so angetan, daß es bald hieß: "Zu einem Butter bei de Fische-Konzert geht man nicht wegen der Bands. Sondern weil es eben ein Butter bei de Fische-Konzert ist." Ich selbst lernte dabei einige sehr gute Bands kennen und - Hey ho - auch einiges fürs Leben. Was - so der Kritikpunkt vieler Gäste - wohl schwierig war, also in die relativ geschlossene Gruppe um Kneipenkollektiv, Konzertgruppe und Stammgästen einzutauchen, ging bei  mir aus irgendwelchen Gründen relativ schnell. So gehörte also auch ich bald zu der Gruppe, die den ein oder anderen Abend im Rhenania verbrachten. Und Ihr müsst Euch müßt Euch das doch auch einfach mal vorstellen: mit den nettesten Leuten die schönsten Räumlichkeiten der Stadt nutzen zu dürfen. Wie geil ist das denn? Dazu die schöne Außenterasse und - flugs einmal auf die andere Gebäudeseite stand man schon mitten im Rheinauhafen, genau über der Colorado, der Yacht der Kölner Unterweltgröße Schäfers Nas. Drinnen wurde preiswert und lecker gegessen und danach die eine oder andere Party gefeiert. Dazu wurde rundenweise roter Genever getrunken (das klebrige Zeug ist nicht das Einzige, was heute nicht mehr geht!), Hölzchen gespielt und die ein oder andere Polonaise angeführt. Alles Sachen die uns damals eine Menge Vergnügen bereiteten. Die komplette Stimmung war so positiv und nach vorne ausgerichtet, daß sich sogar ein paar unerschrockenen Gesellen im Frühjahr des Jahres 1992 dazu entschlossen ein eigenes Fußballprofiteam für die Bunte Liga zu gründen: Bum Bum Q-hof war geboren. Nicht immer die erfolgreichste Mannschaft, aber mit Sicherheit bis heute immer einer der amüsantesten.

Nur Vater Rhein meinte es nicht immer gut mit dem Q-hof und trat in den vier Jahren am Rheinauhafen zwei mal so weit über die Ufer, daß die komplette Kneipe ausgeräumt und nach Erreichen des Normalpegelstands samt Nordkeller in Eigenarbeit renoviert werden musste. Das zu wissen ist wichtig, will man die Quälereien die letztendlich zum Auszug aus dem Rhenania führten, in aller Konsequenz verstehen. Durch den Ruf den sich das Rhenania als Konzertort erarbeitet hatte und die Infrastruktur die geschaffen worden war, kamen natürlich auch andere Veranstalter auf die Idee dort Konzerte (oder später noch schlimmer: Parties) zu veranstalten. Dabei ging es dann im Gegensatz zu den Butter bei de Fische-Konzerten aber nicht mehr um (Sub)Kultur, sondern einzig und allein um Kohle. Eine Motivation die dann auch den verschlafenen Trägerhaufen namens Kunsthaus Rhenania e.V. eben die ehemaligen Künstler und Musiker aus dem Stollwerk) auf den Plan brachte. Mit Dollarzeichen in den Augen kam es zu haarsträubenden, kulturfreien Doppelbelegungen in Halle und Nordkeller. Eine Situation die irgendwann untragbar wurde. Doch ließ die Q-hof/Butter bei de Fische-Crew nichts unversucht um diese Situation irgendwie zu klären. Leider zu spät: den Vereinsmitgliedern ging es nur noch um Geld und die Tatsache daß die ganze handwerkliche und informelle Arbeit von ganz anderen Leuten geleistet wurde, blieb konsequent außen vor. So entschlossen sich Kneipenkollektiv und Konzertgruppe dazu, das Rhenania aus fast eigenen Stücken (mittlerweile flatterte auch Kündigung ins Haus) zu verlassen. Doch das nicht sang- und klanglos und so wurde folgerichtig Ende Mai 1995 die letzte Butterfahrt auf die Beine gestellt: ein zweitägiges Musikfetival mit den beliebtesten Bands der vergangenen vier Jahre Und nicht nur in Köln erinnert man sich sehr gerne an die legendäre Veranstaltung, bei der es zum ersten Mal die schönen und heute gesuchten Butterfisch-T-Shirts gab. Noch heute kenne ich Leute im Norden der Republik, die mich jedesmal wenn wir uns treffen, genau auf dieses Festival ansprechen, dann vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen und in Schwärmereien abdriften. Und das könnte ich auch, ob der ganzen schönen kleinen Geschichten, die es zu erzählen gäbe. Aber die laßt Ihr euch am Besten mal an der Theke erzählen. Apropos Theke: Auch wenn die letzte Butterfahrt ein mehr als würdiger Abschied vom Rhenania war, sollte das nicht der letzte Abend in den Heiligen Hallen bleiben, denn bis zum 18.06.1995 ging der Kneipenbetrieb weiter und drei weitere Tage später gab es die inoffizielle Abschiedsparty. Als Rahmenprogramm gab es ein letztes mal lecker Reiskorn Kölsch vom Fass und danach wurden die nicht mehr benötigten Kneipenutensilien wie Ventilatoren, Waschbecken usw. per amerikanischer Versteigerung unters Volk gebracht. Laut Kündigung sollte der Kneipenraum wieder im Urzustand übergeben werden. Und - wir erinnern uns - seinerzeit gab es weder den Fußboden, die ganzen gezogenen Wände noch die Theke....also wurden diese mit Vorschlaghämmern wieder aus dem Raum entfernt. Noch heute steht ein Beutestück - ein Teil der Theke - in meinem Kinderzimmer. Euch die Berliner Mauer und mir die Rhenania Q-hof Theke. Ich muß sagen, daß ich das durchaus empfinde als fairen Deal empfinde.
Mit einem lachenden und einem (vor Staub?)  weinenden Auge wurde das Kunsthaus Rhenania also Teil unserer und meiner Geschichte. So hat das Rhenania und der da gelebte PunkRock mehr zu meiner Sozialisation beigetragen, als alles was meine Mutter die 16 Jahre vorher versuchte mir beizubringen.
Im Rhenania selbst versuchte der Künstlerverein eine eigene Kneipe aufzumachen was kläglich scheiterte und es fand noch die eine oder andere Party oder auch noch diverse Konzerte statt, doch nichts war mehr wie vorher.

Aber keine Atempause, denn Geschichte wurde gemacht: Keine wirkliche Woche später, am 29.06.1995 wurde der dritte Q-hof der Zeitrechnung eröffnet und zwar genau da, wo er auch heute noch ist: in der Limburger Strasse 29, direkt in Ringnähe am Friesenplatz.
Klar war, daß dort ein komplett neues Ladenkonzept entstehen würde. Keine Konzerte und somit auch kein Ersatz-AZ mehr. Stattdessen erfüllt der Q-hof nachdem er im Rhenania so was wie das Abbild einer Idylle war, in der unmittelbaren Nähe der unerträglichen Ringe (die mich im Übrigen immer mehr an die Hamburger Reeperbahn erinnern) heutzutage eher die Funktion einer Oase: Inmitten der gestörten Ringbesucher normales Kneipenleben erleben. Dennoch war meine Begeisterung für den neuen Laden der eher an ein Bistro als eine Punkerkneiper erinnert, zunächst verhalten.

Kurze Anekdote am Rande: die allseits beliebten Dackelblut spielten am Tag der Q-hof-Eröffnung in einer anderen Lokalität ihr schlechtest besuchtetes Konzert aller Zeiten. Doch wie der Zufall und unsere Geschichte so will, zog ich kurze Zeit nach Neueröffnung in die direkte Nachbarschaft und ich verbrachte schon wieder mindestens ein Jahr lang jeden Tag im Q-hof, dessen damaliger Donnerstag heute noch legendär ist. Eine Zeit übrigens, in der ich es mit einem berühmten Kölner Koenlumnschreiber hielt: "Im Q-hof und der Lotta keinen Deckel zu haben, bringt Unglück."
Und die Konzertgruppe Butter bei de Fische? Ja aus denen wurde in Anlehnung an die große Rhenaniaabschiedssause relativ schnell die Veranstaltungsgruppe Butterfahrt-Konzerte, die zunächst im Tunnels am Karthäuserwall das große Erbe antrat. Doch irgendwann war auch die - u.a. nach kürzen Ausflügen zurück ins Rhenania - am Ende und machte Platz für die Jungs und Mädels der befreundeten K-town MoshCrew und Lucha Amada.
Immer noch da - ja fast schon als Relikt längst vergangener Zeit - ist der Q-hof Und alle die, die dem Laden ewige Gestrigkeit vorwerfen, sollten eigentlich wissen wie wichtig solch ein Treffpunkt ist. Schlecht reden ist einfach und da bin ich ja nun mal der Letzte, dem man das sagen müsste. Aber wenn die Rache der Vergangenheit tatsächlich die Reue ist, kann ich nur sagen: wir sind quitt! Klar, im Vergleich zum Rhenania, hat der Q-hof sein ehemaliges Stammpublikum verloren, aber jetzt mal alle Hand auf die verfettete Leber, wir sind doch alle älter geworden und verbringen lieber Zeit zu Hause als in Kneipen unserer Geschichte hinterherzulaufen. Trotzdem schaffte der Q-hof es, mit allen Höhen und Tiefen, sich wieder zu etablieren. Gerade in der letzten Zeit findet sich wieder junges Publikum, welches entweder der finanziellen Konzept, dem kulturellen Angebot oder dem Charme der Thekencrew zu verfallen scheint. Welche Kneipe nimmt den lieber Lohnkürzungen in Kauf, als die Getränkepreise zu erhöhen? Wer vergibt die eigenen Räumlichkeiten an politisch arbeitende Gruppen wie KEIN MENSCH IST ILLEGAL? Wo traten zum 25. Todestag des King gleich zwei Elvisimitatioren auf? Und wo können so unterschiedliche Charachtäre wie Markus und Manni hinter der selben Theke stehen?  Rrrrichtig: im Q-hof! Der Laden in dem man immer noch unverschämt preiswert Essen, Sonntags frühstücken und jeden Tag der Woche lecker trinken kann. Der nach wie vor im Kollektiv betrieben wird und auch heute noch eine der wenigen Kneipen ist, die man sich zu eigen machen kann. Nein: Cola haben wir nicht!

Meiner Mutter würde ich gerne noch sagen, daß ich mir de facto bewusst bin nicht allzuviel im Leben richtig gemacht zu haben. Bei einem gibt es definitiv kein Vertun und das war der Umzug nach Köln.

Danke Q-hof, Danke Köln!

Rainer gOtt im Dezember 2003